24 März 2016

"I will miss you more" - Nachholespiel zu Ostern bereits ohne Mbemba Camara


Der Schock vom Mittwoch sitzt noch immer tief: am gestrigen Morgen erreichte uns die Info, dass Mbemba gerade nach Italien abgeschoben wird und somit schon am kommenden Samstag nicht mehr beim Punktspiel in Siebigerode für uns mitwirken kann. Ein Kommentar von Trainer Marius Hummitzsch (es handelt sich um einen persönlichen Kommentar, der ausdrücklich nicht im Namen des Vereins verfasst ist).

Fassunglos. Apathisch. Unmächtig. So fühlte ich mich, als ich Mittwochmittag um 13:21 Uhr die letzte Nachricht (vom Flughafen) von Mbemba lesen musste: "Why do they say now I must go back to italy? I will miss you more my friend." (Warum muss ich gerade jetzt (zurück) nach Italien? Ich werde dich mehr vermissen, mein Freund). Es dauerte den ganzen Tag an, um es endgültig zu verstehen. Er ist weg. Wohl für immer. Einfach weg.

Es fällt nicht leicht, ohne Groll den Gang der (politisch-rechtlichen) Dinge zu akzeptieren. Ja, das Dublin-Abkommen sieht vor, dass über die Asylberechtigung in Italien zu entscheiden ist, in dem europäischen Land, in dem Mbemba nach seiner Flucht über das Mittelmeer als erstes sicheren europäischen Boden betrat. Wie so viele verharrte er nicht in dem Chaos des 1. Halbjahres 2015 und wollte ursprünglich nach Schweden weiterreisen, in Sachsen-Anhalt wurde er letztlich von Behörden kontrolliert und aufgehalten. Dublin war bekanntermaßen ausgesetzt. So landete er schließlich in Sangerhausen. Einige Monate passierte nun nicht viel. Wenige bis keine Maßnahmen, die ihn am Leben hier teilnehmen ließen, und wenn, dann welche, die durch persönliches Engagement initiiert wurden. Eben durch dieses kamen wir nun in Kontakt mit ihm und so trainierte er seit September 2015 bei uns mit - wohlgemerkt ohne eine einzige Einheit zu verpassen.
Vergessen ist, dass der Verband beim Passantrag die Maximal-Zeit von einem Monat einfach absaß und er so zu keinem Spiel mehr in der Hinrunde kam. Vielmehr erfreute es uns, regelmäßig einen immer freundlichen, respektvollen und so dankbaren Menschen in unseren Reihen aufnehmen zu dürfen. Langsam aber stetig arbeitete er zudem - auch mit meiner privaten Unterstützung - an seinem Deutsch, das Verstehen er sich von Monat zu Monat immer besser anbahnte. Während andere auch institutionell gefördert wurden, passierte dies bei ihm nur durch die privaten Unterstützer. So sammelten wir fleißig Klamotten zusammen, besorgten ihm Bücher zum Deutsch-lernen und ja, er hätte so gerne endlich einmal wieder gearbeitet. So mussten die wöchentlichen Einheiten aber die Wochen-Höhepunkte bleiben.
Dass er für uns auf dem Platz ein große Unterstützung sein würde, zeigte er in den ersten 3 Spielen der Rückrunde, in denen er 3 Tore erzielen konnte, 2 davon zuletzt beim 3:1-Sieg über Niederröblingen am vergangenen Wochenende. Natürlich war mir in den letzten Wochen schon bekannt, dass auch unsere Behörden das Dublin-Abkommen "wiederentdeckt" haben und Mbemba so in den Kreis der Rückzuführenden fiel. Wenn das Schicksal aber dann plötzlich über Nacht zuschlägt, fällt es einem trotzdem schwer, damit zu leben. Ich werde ihn sehr vermissen, diesen zurückhaltenden, aber jederzeit fröhlichen Kerl, der immer, wenn er etwas wollte, zunächst nachfragte "Marius, wie gehts?" oder ein ritualisiertes "How are you doing?", ohne die Antwort darauf, er sich nie nachzufragen wagte. Doch er wird recht behalten, er vermisst uns mehr, schließlich sind Sangerhausen, unser Verein, die herzlichen Mitspieler in diesem Jahr seine neue Heimat geworden. Es muss grausam sein, seine Heimat ungewollt verlassen und sich in einem gänzlich neuem Land mit neuer Sprache, Kultur und Menschen ohne etwas auf der Habenseite orientieren und leben zu müssen, schon wieder. Es erscheint mir fast noch unmenschlicher, dass er nach den vielen Grausamkeiten, die er bereits erlebt hat, nun abermals herausgerissen wird aus diesem gewohnten Umfeld. Man verfällt fast der Verführung, dass auch all die eigenen Mühen nun umsonst gewesen sind, aber nein, das sind sie nicht. Ich konnte unglaublich viel lernen (von ihm) und werde mich an viele schöne gemeinsame Momente erinnern. Danke für alles, mein Freund! Wir hoffen, es ergeht dir gut!

Schon am Ostersamstag müssen wir nun das erste Mal ohne Mbemba auskommen, wenn wir um 15 Uhr beim BSC Siebigerode antreten. Nachdem wir schon Bergi vor kurzer Zeit verabschieden mussten, werden wir auch dies als Team verkraften, aber alles wird anders sein, schon wieder.

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